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Über kaum einen anderen Trend wurde in jüngster
Vergangenheit so viel in so kurzer Zeit geschrieben:
„Industrie 4.0“ weckt Wachstumshoffnungen und
Rentabilitätserwartungen. Sorgt aber auch für Zu-
kunftsängste. Für einige steht nicht weniger als die
Wettbewerbsfähigkeit auf dem Spiel, für andere ist es
nicht mehr als eine ferne Vision. Zeit für einen nüch-
ternen Blick auf die künftige Entwicklung und die Rolle
der ERP-Anbieter.
Das Produktivitätsversprechen
Worum geht es? Bislang beschränkt sich Automatisie-
rung in der Fertigung zumeist auf einzelne Stationen
oder Produktionsstraßen. Begrenzte, punktuell wir-
kende Maßnahmen also, bei denen die eingesetzten
Komponenten und Technologien nichts voneinander
wissen. Wer wirklich nachhaltig optimieren will, muss
jedoch den Gesamtprozess im Blick behalten. Genau
diesen Ansatz verfolgt Industrie 4.0. Das Konzept formt
aus Automatisierungsinseln eine vernetzte Fabrik, in
der Maschinen untereinander und mit den Werkstü-
cken munter interagieren. Produktionsprozesse wer-
Wegbereiter der vernetzten
Fabrik
– Industrie 4.0
den dabei permanent optimiert – je nachdem, wie es
die Situation gerade erfordert. Maschinen entscheiden,
welches Produkt in welcher Reihenfolge auf welchem
Platz gefertigt wird. Die Produktion ist flexibler und ef-
fizienter. Die Produktionskosten kleiner Losgrößen nä-
hern sich denen der Serienfertigung an.
Mittelstand in Hab-Acht-Stellung
Dachte man in der Vergangenheit bei „Industrie 4.0“
zuerst an die Schaufabriken der Forschung, wächst in-
zwischen die Zahl real vernetzter Produktionsstätten –
vor allem in Konzernen und im gehobenen Mittelstand.
Hinzu kommt die Vielzahl mittelständischer Betriebe,
die bereits partielle Erfahrungen mit Industrie 4.0-Tech-
nologien sammeln. Wie ernst die Wirtschaft das The-
ma inzwischen nimmt, zeigt sich am Arbeitsmarkt: Es
gibt leichtere Aufgaben, als Automatisierungsexperten
zu finden, die sich an der Schnittstelle zwischen Pro-
duktion und IT heimisch fühlen – und beide Disziplinen
gleichermaßen beherrschen. Der Markt ist quasi leer
gefegt.
Langfristig gesehen kommt kaum ein Produktionsbetrieb an „Industrie 4.0“ vorbei.
Doch in vielen Unternehmen fehlen Know-how und qualifizierte Mitarbeiter. ERP-
Anbieter könnten zeitweilig die Rolle des Steigbügelhalters übernehmen – sofern
sie das notwendige Branchenwissen mitbringen.